Sven Bergholz und Simone Schmitt-Schillig im MuniqueART Interview

Sven, 2016 hast Du ein Stipendium von der Art Students League of New York erhalten und zwei Monate in New York City verbracht.

Gibt es einen Unterschied zwischen der Lebensweise der Menschen in Amerika und in Deutschland? Was hast Du während Deiner Zeit im Ausland gelernt?

Was in New York schon einmal ganz anders ist, ist der offene Umgang mit Geld. Es wird alles sehr direkt angesprochen, das ist normal. Es gibt nicht diese auf Armut pseudoverkleideten Künstler, die man in Deutschland so oft sieht. Erfolg und teure Marken sind hier wie ein Stigmata. Dabei sind wir doch so nahe Verwandte mit den Designern und wir müssen alle leben. Unangenehme Themen werden vorsichtig angesprochen, aber nicht tabuisiert. Es ist weniger Show, mehr Real-Life – keine Zeit für Spielchen, es wird einfach immer weitergerannt. Das Leben ist hart und direkt und so wird auch damit umgegangen.

Was auch anders gehandhabt wird, ist die Art, Kinder an Kunst heranzuführen. In Deutschland wird heute immer noch mit Joseph Beuys gearbeitet. Der passt nicht mehr in die Zeit. Die Eltern sind nicht mehr prüde und bürgerlich, unser Zeitalter ist digital, der Planet am kollabieren. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass bei uns Kunst bürgerlicher Luxus ist. Man wird an der Kunstakademie kaum jemanden finden, der aus einem Arbeiterhaushalt kommt oder eine alleinerziehende Mutter hat. Wir sind immer noch nicht gut darin, uns gegenseitig den gleichen Freiraum einzurichten, Potentiale auszuleben und Neues zu schaffen – daran muss gearbeitet werden.

Heute wäre ich eigentlich in San Francisco, um Freunde zu besuchen und mir einen Eindruck von der Stadt zu bilden. Ich hatte mich gefreut, mal wieder in die USA zu reisen, weil ich diese direkte Lebensart sehr schätze.

Beeinflusst Dein aktueller Wohnort Deine Kreativität und Dein künstlerisches Schaffen? Erkennt man einen Unterschied zwischen Werken, an denen Du z. B. in NYC garbeitet hast und welchen, die in Berlin entstanden sind?

Nein, der Ort spielt hierbei keine große Rolle. Ideen und Denkprozesse finden bei mir im Inneren statt. Ich muss mir eher Gedanken darüber machen, wie ich das realisiere. In NYC hatte ich ein Traumatelier, das meine Arbeit angenehmer gestaltet hat und worüber ich mich sehr gefreut habe, aber mit dem Entstehen der Skulpturen an sich hat das nichts zu tun.

Was bekommst Du – vielleicht über Kontakte durch das Stipendium – von der aktuellen Situation in NYC mit? Dort liegt schließlich mittlerweile der weltweite Brennpunkt der Corona-Pandemie. 

Die meisten Mitstipendiaten kamen von der Royal Academy aus London. Zu zwei Betreuern des VYT, die in New York leben, habe ich allerdings noch Kontakt. Es muss gerade schlimm sein in NYC, aber das ist die subjektive Einschätzung der Leute vor Ort, ich kann das weder bestätigen noch verneinen – ich bin zu weit weg. New York ist eine unwahrscheinlich große Stadt.

Sven, lass uns ein wenig detaillierter über Deine Werke sprechen!

Wir haben den Eindruck, dass alle Deine Arbeiten eine bestimmte Aussage transportieren sollen. Stimmt das und, wenn ja, was möchtest Du rüberbringen? Gibt es ein übergeordnetes Thema, das Du priorisiert ausdrücken möchtest?

Politik- und Umweltthemen spielen eine große Rolle. Letzteres mehr, da sich politische Dinge schnell ändern – es folgen und entstehen ständig neue Systeme oder Ideen. Aber was wir unserer unglaublichen, schönen Tier- und Pflanzenwelt antun, ist zum Teil irreversibel. Darauf möchte ich aufmerksam machen. Aber es ist in der Regel nicht mehr als ein kurzes Klopfen an den Kopf der Menschen. Mehr schafft man auch nicht.

Außerdem erzählen viele meiner Skulpturen eine ganz eigene, individuelle Geschichte. Daher nenne ich meine Werke meist beim Namen, „Hertha!“, die Henne, „Hannah“, die Giraffe, usw. Mit „Hannah“ versuche ich gerade übrigens den Einstieg in eine Serie umzusetzen: „HANNAH!“ wechselt ständig ihren Wohnort, um sicher zu sein.

Manchmal geht es aber auch einfach um eine schöne Form von Dingen, die mich interessieren wie beispielsweise beim „Hammerhai“. Und ich versuche gezielt, Bewegungen als „Frozen Motions“ festzuhalten wie in meiner aktuellen Arbeit, dem „Bad Guy“.

Du hast Publizistik studiert und interessierst Dich sehr für Journalismus. Beeinflusst Dich diese intensive Beschäftigung mit sozialem und politischem Wissen in Deiner Arbeit?

Ja & Nein.

Ich bin ein kritischer Mensch und verbringe immer noch viel Zeit mit dem Lesen von (digitalen) Zeitungen. Mir ist aufgefallen, dass die Diversität im Umgang mit vielen Themen immer mehr verloren geht. Es gibt zu politischen Themen einen immer stärkeren Mainstream, in dem Graustufen schon verdächtig sind. Entweder ist es schwarz oder weiß, alles andere ist verdächtig oder wird moralisch bewertet. 

Ein moralischer Imperativ, der politisch kluges Handeln verhindert, ist auf Dauer gefährlich und wird die Ränder stärken. Hier wird durch einen Mix von sozialer Romantik und permanenter Selbstüberschätzung viel aufs Spiel gesetzt.

Deshalb lese ich z. B. gerne die Schweizer NZZ, die immer noch einen guten objektiven Journalismus betreiben, ohne jede Tendenz zur Meinungsmache. Ihr dürft nicht vergessen, ich komme aus der ehemaligen DDR und bin gewissermaßen mit einer Form von verlogener politischer Bigoterie groß geworden. Man dachte das Eine, sagte das Andere. Das will ich nie wieder erleben – und ja, diese Themen beeinflussen auch meine Arbeit und die Sicht auf die Menschen. Ich versuche mich nicht innerhalb einer Echokammer zu bewegen, sondern viele Meinungen zu hören und zu akzeptieren.

Simone und Sven, ihr arbeitet schon seit sechs Jahren zusammen und führt bis heute eine stabile Künstler-Galeristen Beziehung.

Sven, was bedeutet eine gute Zusammenarbeit für Dich? 

Sven: Ich habe viele Galeristen kennengelernt, deren Ziel es ist, mit möglichst wenig Risiko, in möglichst kurzer Zeit, möglichst viel Geld zu verdienen. Mit Menschen, die nach einer solchen Maxime leben, kann und will ich persönlich nicht arbeiten. 

Simone steckt so viel Zeit und Herzblut wie möglich in die Galerie und die Repräsentation ihrer Künstler, obwohl sie wenig Zeit hat. Ich weiß, dass sie mit Leidenschaft dabei ist, genau wie ich bei meiner Arbeit. Diese Art der kreativen Ergänzung ist mir sehr wichtig für eine gelingende Zusammenarbeit. 

Was ich an Simone auch schätze, ist, dass sie Dinge nicht persönlich nimmt, es kann mal krachen und dann ist’s wieder gut. Es gibt von beiden Seiten kein Rumgelaber, sondern wir können offen kommunizieren und dadurch strukturiert und konzentriert arbeiten. 

Simone, wie siehst Du Eure Zusammenarbeit? Wie hat sich Eure Relation über die Jahre entwickelt und was wünschst Du Dir für die Zukunft?

Simone: Ich glaube nicht, dass wir eine typische Künstler-Galeristen Beziehung führen. Mittlerweile hat sich definitiv eine Freundschaft zwischen uns entwickelt. Wenn man mehrere Jahre miteinander arbeitet, kennt man sich und kennt auch die Lebensumstände des anderen. Trotz mal mehr und mal weniger intensiven gemeinsamen Zeiten, findet man für eine neue Ausstellung oder einen Messebesuch immer schnell wieder in einen produktiven Arbeitsmodus. Wir sprechen regelmäßig. Ich weiss woran Sven arbeitet und wir können darauf abgestimmt gemeinsame Aktionen planen. Ich finde, das ist eine schöne Art, sich zu begleiten und zu unterstützen. 

Für die Zukunft wünsche ich mir, Sven und den anderen Künstlern, die ich mit MuniqueART vertreten darf, ein noch breiteres Publikum schaffen zu können. Der Faktor Zeit und die richtigen Kontakte spielen dabei eine große Rolle. Die Zeit von MuniqueART kommt, das weiss ich.

Beschreibt Eure Zusammenarbeit in drei Worten.

Sven: Vertraut, effizient, direkt.

Simone: Vertraut und offen. Diese Eigenschaften sind meiner Meinung nach übrigens sowohl für eine Freundschaft, als auch für eine Arbeitsbeziehung nötig. Als drittes Adjektiv fällt mir auf Anhieb “zukunftsgerichtet” ein. Ich sehe perspektivisch, was aus unserer Zusammenarbeit noch werden kann und bin sehr gespannt darauf.

Simone, Du siehst den amerikanischen Kunstmarkt als den perfekten Verkaufsort für Svens Skulpturen und bist der Meinung, das sei ein “perfect fit”. Warum gerade der Markt in den USA?

Zunächst einmal ist der amerikanische Kunstmarkt der Größte der Welt (44%, Art Basel and UBS Global Art Market Report 2020), was ja schon einmal eine gute Voraussetzung ist. (lacht) 

Ich habe das Gefühl, dass die einzelnen Werke in ihrer Direktheit sehr gut zur amerikanischen Kultur passen. Das Spiel mit den Effekten der unterschiedlicher Materialien Harz, Bronze oder Aluminium ist beeindruckend. Den Hammerhai habe ich 2016 in New York präsentiert – und ein Exemplar aus Aluminium dort verkauft. Der Bronzehai schwamm wieder mit zurück über den Teich. Ich denke aber oft, dass besonders die Bronzeskulpturen, die teils schon als glamourös oder kitschig wahrgenommen werden können durch ihren Glanz, besonders in den USA Anklang finden können.

Zuletzt darf man auch nicht vergessen, dass es in den USA die wichtigsten, ausdrucksstärksten Museen und Sammlungen der Welt gibt. Genau in solche Sammlungen, die sich positionieren wollen, gehören Svens Werke.

Und manche Kunstwerke brauchen einfach Wettbewerb. Erst die Inszenierung im großen Ganzen, zwischen Objekten verschiedener Ströme, lässt sie ihre Wirkung vollends entfalten. Ich würde mich sehr freuen, Svens Arbeiten in der Zukunft einmal auf der Art Basel Miami präsentieren zu können. Wir bleiben dran!

Mehr über den Künstler Sven Bergholz erfahren unsere Leser auf seinem Künstlerprofil.

Bis Ende Juni 2020 wird ein Exemplar Hammerhais aus Bronze zu einem Sonderpreis in der MuniqueART Collection angeboten. Hier geht es zur MuniqueART Collection.

Wir danken allen Lesern für ihr Interesse! Teilen Sie dieses Interview gerne und unterstützen Sie die Künstler, indem Sie Ihre Wände mit Originalen behängen.

Das Interview wurde am 4. April 2020 von Lina Rieder geführt.